Ausblick
5 Fragen an Museumsdirektor Dr. Ulf Sölter
1. Welche Anforderungen haben Sie an den Neubau des Gutenberg-Museums?
Unser Gutenberg-Museum ist ein Haus, welches Gutenbergs Erbe sensorisch erlebbar macht. Sei es das Riechen von Druckfarbe im Druckladen, das Hören des Druckerkusses während unserer Druckvorführung oder das Betrachten der Gutenberg-Bibeln im Tresor: Mit diesen Sinneseindrücken begann und beginnt unsere publizistische Identität. Diese einzigartige Form der Perzeption bei gleichzeitiger Informationsgewinnung ist ein Alleinstellungsmerkmal im musealen Sektor, der im Neubau eine neue Wertschätzung erfahren soll.
Ausstellungsflächen mit einem durchdachten digitalen und analogen Ausstellungskonzept sind die Grundpfeiler des anspruchsvollen Anforderungsprofils, welches das Gutenberg-Museum weiter verfolgt.
2. Sie sprachen von Museen als „Dritte Orte“ – was bedeutet dies konkret?
Aktuell zeigt der Kompass der Museumslandschaft in eine neue Richtung: Die feste Verankerung von Museen in der Stadtgesellschaft und die damit verbundene Neuinterpretation der Vermittlung von Inhalten.
Sogenannte „Dritte Orte“ ermöglichen einem Publikum – um bei der metaphorischen Erklärung zu bleiben – den Zugang zu einem öffentlichen Kommunikationsraum, in dem kultureller Austausch Einzug hält und Platz für barrierefreie Partizipation ist. Und dieser Raum bietet das Gutenberg-Museum durchaus! Gemeinsam mit seinem „Experimentierlabor“, dem Druckladen, ist das Gutenberg-Museum ein beliebter und lebendiger Treffpunkt, der das Interesse für Druckkunst entweder weckt oder vertieft.
3. Wie trägt das Gutenberg-Museum zum „mainzgefühl“ bei?
Seit seiner Gründung im Jahr 1900 ist das Gutenberg-Museum eine tragende Säule der Mainzer Kulturlandschaft und gehört neben „Weck, Worscht und Woi“ für viele Mainzer:innen zu ihrem Lebensgefühl.
Allein die Tatsache, dass Johannes Gutenberg hier gewirkt und gelebt hat, verleiht unserem Haus eine Ausstrahlungskraft und Authentizität, die einem „mainzgefühl“ entspricht. Dieses steht bekanntlich für Geselligkeit und Offenheit, aber auch für Heimat. Drei Attribute, mit denen sich unser Museum an einem historischen Standort, unweit von Gutenbergs Werkstatt entfernt, identifizieren kann.
4. Welche Sonderausstellungen möchten Sie im neuen Gutenberg-Museum realisieren und neu interpretieren?
Als „Weltmuseum der Druckkunst“ beherbergt das Gutenberg-Museum eine einmalige Sammlung zur Druck-und Schriftgeschichte aus aller Welt und konnte in der Vergangenheit ein breites Spektrum an Sonderausstellungen umsetzen. Ich habe sehr positive Erfahrungen mit Kooperationsprojekten - nicht nur mit Partnern aus der Museumswelt - gemacht. Diesen Ansatz möchte ich auch in Mainz weiter verfolgen, um sich in der Ansprache von Besucherinnen und Besuchern möglichst weit zu öffnen. Die Druckkunst ist ein lebendiges Medium, was sich in spannender Weise in einer Vielzahl faszinierender Positionen ausdrückt. In unseren Ausstellungen möchten wir nicht nur die bedeutungsvolle Geschichte der Druckkunst erzählen, sondern auch ein Forum für die Kunst sein, die heute und im Jetzt entsteht.
5. Welches Narrativ soll das Gutenberg-Museum erzählen, wenn es das Interimsquartier bezogen hat?
Museen des 21. Jahrhunderts sind interaktive Erlebnisorte, die einem Narrativ, also einer „erzählten Sinnstiftung“, unterliegen.
Für das Interim entwickeln wir aktuell narrative Strategien, um die Entwicklungsgeschichte des Europäischen Buchdrucks für unsere Besucher:innen inhaltlich, medial und räumlich darzustellen.
Workshops vermitteln weiterhin künstlerische, handwerkliche Drucktechniken und geben unseren Gästen eine Idee davon, welche Auswirkungen Gutenbergs „Start up“ auf die heutige digitale Welt hat. Wir freuen uns schon darauf, diese Vision auch weiterhin in der Interimsphase in den Hallen des Naturhistorischen Museums mit unseren Museumsbesucher:innen teilen zu dürfen.